Weite Räume

Vor gut einem Jahr kannten wir den Begriff noch nicht, jetzt nutzen wir ihn fast täglich: „Lockdown“. Geschäfte, Restaurants, Museen, Schwimmbäder: geschlossen. 
Freunde umarmen: geht nicht. Anderen ein Lächeln schenken oder mal an der Ampel flirten: mit Maske schwer. Vieles, was selbstverständlich war, ist weit weg. Auch wenn wir die Einschränkungen verstehen, sind wir langsam müde und dünnhäutig.

Fast zynisch mag da eines meiner liebsten Psalmworte klingen:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum. (Ps 31,9)

Das Leben fühlt sich im Moment nicht unbedingt nach weitem Raum an, auf dem unsere Füße stehen. Wenn wir Weite gleichsetzen mit „weit wegfahren“, stimmt das. Reisen sind gerade nicht möglich. Und doch finde ich die Worte passend für die aktuelle Situation. Gerade jetzt sind wir darauf angewiesen, nicht eng zu denken und nicht engstirnig zu werden. Wir werden uns viel zu verzeihen haben, so hieß es zu Beginn der Pandemie. So lädt uns das Psalmwort dazu ein, weit zu denken und großzügig zu sein, auch gegenüber manch schwieriger oder auch falscher Entscheidung von Politikern. Könnten wir es besser? Wohl kaum.

Versuchen wir es doch mal so zu sehen: Weiter Raum ist viel mehr als unbegrenzte äußere Freiheit. Das Leben feiern geht auch jetzt – vielleicht gerade jetzt! Der Frühling kommt!

Die Zeit ist nicht vergeudet, nur weil vieles nicht möglich ist. Suchen wir weiten Raum für unsere Füße – jede und jeder für sich. Bestimmt finden Sie Räume, die Sie in „normalen“ Zeiten gar nicht gefunden hätten: Zeit für Anrufe bei alten Freunden, Blumengrüße an die Nachbarn, geschenkte Zeit für Ausflüge in die nähere Umgebung, um Orte zu entdecken, die Sie sonst nie kennengelernt hätten. Oder etwas ganz anderes? Lassen Sie Ihren Träumen, Ihrer Fantasie freien Lauf: Der Raum ist weit!
Ihr Wolfgang Gutzeit

Prädikant Wolfgang Gutzeit
Mobbing- und Konfliktberatung Kirchengemeinde Farmsen-Berne
E-Mail: gutzeit@hzhg.de
Tel.: (040) 690 45 32