Predigt von Pater Ivan zum 13. Sonntag im Jahreskreis

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten. Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.

Liebe Schwestern und Brüder,

als ich klein war, wurde ich öfters aus Spaß gefragt: „Wen liebst du mehr, Mama oder Papa?“ und ich fand diese Frage schon als kleines Kind gemein!

Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass man im Laufe des Lebens unterschiedliche Menschen „unterschiedlich“ liebt. Ich liebe meine Eltern, meine Geschwister, meine Freunde! Die Liebe zu meinen Geschwistern oder Eltern ist dabei eine andere als die zu meinen Freunden. Und doch kann ich nicht sagen, dass ich die einen MEHR liebe als die anderen. Es geht nicht um mehr oder weniger! Es ist einfach anders!

Ich bin mir auch sicher, dass alle die eine Partnerschaft leben und auch Kinder haben, ebenfalls nicht von mehr und weniger der Liebe sprechen können und wollen. Die Liebe zum Partner ist einfach eine andere als die zum Kind oder zu den Eltern und Freunden.

Gerade deswegen wundert mich dieser Satz aus dem heutigen Evangelium: „Wer Vater oder Mutter MEHR liebt als mich, ist meiner nicht wert…“

Gott ist mir in meinem Leben absolut wichtig! Mein Glaube, dass es ihn gibt und dass er mich begleitet und segnet gibt mir Kraft und Orientierung. Aber ich möchte bitte nicht vor die Wahl gestellt werden; entweder, oder! Für mich gibt es in der vielfallt der Beziehungen, die ich als Mensch eingehe, keine Wahl, entweder, oder!

Im heutigen Morgengebet habe ich Jesus deutlich gesagt: Tu mir das bitte nicht an! Stell mich nicht vor so eine Wahl!

Ich finde in diesem Text vielmehr eine andere wertvolle Warnung! Wenn ich mich emotional  zu sehr von den Menschen abhängig mache, wenn ich sogar mein Lebenssinn und Glück von ihnen – ihrer Präsenz in meinem Leben und ihren Liebeszeichen – abhängig mache, dann laufe ich meinem Unglück entgegen.

Das Evangelium warnt mich davor, die Liebe und die Abhängigkeit zu verwechseln. Und ich glaube, dass jeder von uns schon die Erfahrung gemacht hat, dass es sehr schnell passieren kann. Anhängliche Eltern, Geschwister, Freunde und Partner machen vielen das Leben schwer und sind dabei auch selbst leider nicht glücklich!

Und da ich auch in mir selbst ein wenig die Neigung zu Anhänglichkeit spüre, weiß ich diese Botschaft des Evangeliums zu schätzen. Gerade das Bewusstsein, dass es mir leicht passieren kann, dass ich mich zu sehr emotional von den Menschen abhängig mache, ist für mich eine Antriebskraft, Gott intensiv zu suchen. Wenn ich Gott wirklich an die erste Stelle in meinem Leben stelle, dann kann ich die Menschen „gesunder“ und besser lieben. Dann kann ich sie lieben, ohne sie mit zu großen Erwartungen zu überfordern. Dann kann ich auch ihre Liebe besser genießen, weil ich dann auch kleine Zeichen der Liebe sehe und wertschätze, dann ist kein Zeichen der Liebe „zu klein“.

Das Evangelium führt mir vor Augen, dass nur Gott Sinn des Lebens und absolute Erfüllung ist. Ein tiefes Bewusstsein, dass es so ist, eine Integration dieser Wahrheit ins eigene Leben kann mir helfen, jedem den richtigen Platz in meinem Leben zu geben, Gleichgewicht der Seele zu erleben und Menschen erfüllend zu lieben.