Predigt von Pater Ivan zum 11. Sonntag im Jahreskreis

Lieber Gott, wo ist dein Reich für mich?

Enttäuscht vom Leben der Kirche und vom eigenen Leben in der Kirche habe ich diese Frage Gott gestellt! Wo ist dein Reich für mich? Damals war das meinerseits eine vorwurfsvolle Frage an Gott, meine Anklage!

Nach nur wenigen Jahren im Priesteramt habe ich das Gefühl gehabt, von Gott und von der Kirche um Lebensglück betrogen und ausgenutzt zu sein.

Ich wollte schon als kleines Kind Priester werden. Mein Lieblingsspiel war damals „die Messe“ die ich fleißig und oft am kleinen Wohnzimmertisch „zelebriert“ habe. Und als ich endlich nach vielen Jahren eines mühsamen Weges zum Priester geweiht wurde, dachte ich dem Reich Gottes ganz nahe zu sein, Glücklich zu sein!

Und als meine Enttäuschung vom Amt und von der Institution immer größer wurde, konnte ich Gott nicht mehr verstehen. Wo ist Gott dein Reich für mich?

Meine persönliche Rettung war gerade diese Szene aus dem Matthäusevangelium, die wir heute hören. Wie in einer göttlichen Eingebung mitten in der Not verstand ich:

Das Reich Gottes ist dort, wo es dem Menschen gut geht! Das Reich Gottes ist dort, wo es mir gut geht!

Diese Definition habe ich in keinem theologischen Buch gelesen! Vielleicht würden die Professoren der Theologie sagen, sie sei falsch. Manche frommen Mitchristen beschweren sich schon, dass meine Predigten esoterisch geworden sind. Vielleicht! Allerdings habe ich diese Definition in meinem Herzen gespürt und sie hat mir einen inneren Frieden gebracht. Und von diesem Frieden lege ich mein Zeugnis ab.

Zwischen den Zeilen des heutigen Evangeliums lese ich immer wieder diese Botschaft! Das Reich Gottes ist dort, wo es dem Menschen gut geht. Jesus sendet seine Jünger aus, weil er Mitleid mit den Menschen in der Not hat. Und er sendet sie nicht aus, damit sie den Menschen predigen, wie sie die Zähne zusammen beißen und  „das eigene Kreuz“ auf sich nehmen sollen, sondern damit sie die Menschen von „ihren Kreuzen“ befreien!

Das Wohlergehen des Menschen ist der Anfang des Reiches Gottes! Das Reich Gottes ist kein Ergebnis der Befolgung der reinen kirchlichen Lehre und kein Lohn für moralische Aufrichtigkeit.

Es tut mir gut, dass ich mich nach so vielen Jahren als Christ auch im Gebet und in der Meditation fragen darf: Was tut mir gut? Welche Bedürfnisse trage ich in mir? Was muss ich mir selbst geben, damit das Reich Gottes für mich Wirklichkeit wird?

Das ist genau das Gegenteil von dem, was ich mich vorher immer gefragt habe und was mir so in der Volksfrömmigkeit beigebracht wurde. Damals musste ich immer darum kreisen; was muss ich noch alles tun um das Reich Gottes bei Gott zu verdienen, oder des Reiches Gottes würdig zu werden.

Liebe Schwester, lieber Brüder,

das Reich Gottes beginnt für dich dort, wo es dir gut geht! Du darfst an dich denken! Du muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn du dir selbst Freude bereitest!

Was muss dir noch geben, damit das Reich Gottes deine Wirklichkeit wird?