Karfreitag 2020 von Pater Ivan

Jedes Jahr frage ich mich, ob Karfreitag ein glücklicher oder ein trauriger Tag ist. Als Kind habe ich immer den Eindruck gehabt, an diesem Tag traurig sein zu müssen und habe manchmal sogar schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich an diesem  Tag fröhlich war. Meine Großeltern und Eltern meinten, es sei nicht angemessen, an diesem Tag zu lachen – ein zumindest ernstes Gesicht gehörte damals zum „Karfreitagslook“ in meiner Heimat.

Ist Karfreitag ein glücklicher oder ein trauriger Tag? Schon immer war eine Festlegung für mich schwierig. Damals als ich noch Kind war, war die Vorfreude auf Ostergeschenke und Osterfrühstück mit allerlei leckeren Sachen groß. Später habe ich mich nach der Bedeutung dieses Tages in meinem Leben immer wieder gefragt.

Dass man im Leben immer wieder leiden muss, war mir von früher Kindheit an klar. Zuerst war ich ein zu früh geborener Zwilling mit schlechtem Immunsystem und war häufig als krank. Danach kam Jugoslawienkrieg, und danach die Schule mit der ich mich in den ersten Jahren ebenfalls sehr schwergetan habe.

Das Leid gehört zu unserem Leben!

Das Kreuz auf dem Bild habe ich als Geschenk zu meiner Priesterweihe bekommen. Es bedeutet mir viel, nicht nur deswegen, weil es mich an die Menschen erinnert, die es mir geschenkt haben, sondern vor allem deswegen, weil ich an seiner Gestaltung eine wunderbare Botschaft, eine Deutung des Leidens erkenne. An der Stelle wo der Leidende Körper Jesu hängen sollte stehen Kristalle!

Als leidenschaftlicher Koch weiß ich, dass die verwundeten Austern aus blutigen Wunden Kristalle bilden! Ein wunderbares Zeichen! Die Austern entscheiden sich, so zu sagen, aus ihrem Leid einen Gewinn zu machen, ihn in etwas schönes und bereicherndes zu verwandeln. Das erfreut die Menschen und mach die Welt ein Stück schöner! Jesus nimmt den Willen seines Vaters an und verwandelt sein Leid in die Auferstehung, in eine neue Lebensperspektive, neue Lebenskraft und Lebensqualität. Wiederum ist da die Welt ein Stück schöner und hoffnungsvoller. Die Kristalle am Kreuz machen mir das bewusst. Wie gut, dass da kein gequälter, toter Körper Jesu hängt, sondern das, was er aus seinem Kreuz gemacht hat!

Die Kristalle am Kreuz zeigen mir gleichzeitig, dass es in meinen Händen liegt, wie ich das eigene Leid im Leben betrachte und was ich daraus am Ende mache! Nicht der Leid an sich zerstört den Menschen, sondern die eigene Sicht, eigene Resignation.

Das Kreuz von meiner Priesterweihe schickt mir die Botschaft – lass dich nicht runterziehen! Ja, du leidest manchmal an / unter unterschiedlichen Sachen, aber nichts kann dich so fertig machen wie deine eigene Sicht auf dein Leid! Kopf hoch!

Das Kreuz mit Kristallen tut mir immer wieder gut, es ist ein Hoffnungszeichen für mich! Ich bin einer, der schnell und leicht aufgibt und resigniert. Ich lasse mich von den schlechten Umständen schnell entmutigen. Aber da ist das Kreuz mit den Kristallen – eine stille Botschaft, dass Karfreitag ein guter Tag ist, wenn man bereit ist, um eine positive Sichtweise auf das eigene Leid zu kämpfen!

Der Blick auf das Kreuz mit Kristallen lässt mich erkennen! Das Leid kann mit mir nur das machen, was ich ihm erlaube!

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen, wenn sie heute in ihren Familien oder zumindest ihren eigenen Gedanken das Kreuz vor Augen haben, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie das Kreuz mit Kristallen vor Augen haben. Möge es Ihnen Hoffnung und Kraft geben auf Ihren Wegen!

P. Ivan