Fronleichnam – Fest der Gegenwart Jesu im Sakrament

Fronleichnam – Fest der Gegenwart Jesu im Sakrament

Zu Fronleichnam denkt man unwillkürlich an ein Bild des berühmten italienischen Malers Raffael, das in den Vatikanischen Museen viele Besucher immer neu in seinen Bann schlägt, wenn sie es in voller Größe vor sich sehen: Es hat den Titel „Disputa“, d.h. „Disput“, „Auseinandersetzung“, „Streitgespräch“. Und tatsächlich sieht man auf der unteren, irdischen Ebene des Bildes zwei Menschengruppen, die durch einen Altar getrennt sind, und auf dem Altar zwischen ihnen steht eine Monstranz, ein „Zeigeobjekt“, in dem eine geweihte Hostie zu sehen ist. Und die Menschen rechts und links des Altares sind dieser Monstranz zugewandt und scheinen über sie und ihre Bedeutung miteinander zu streiten. Wer sich in der Geschichte auskennt, entdeckt unter ihnen Bischöfe, ja sogar Päpste mit der dreikronigen Tiara, der früher üblichen Papstkrone, aber auch bekannte Dichter, Denker, Philosophen. Links im Vordergrund hat der junge Raffael sich sogar selber mit ins Bild gemalt und blickt den Bildbetrachter an.

Die Menschen, die wohl die noch pilgernde Kirche darstellen sollen, scheinen sich Klarheit darüber verschaffen zu wollen, ob denn nun wirklich die kleine Hostie in der Monstranz den Herrn Jesus Christus anwesend setzt, der doch längst, nach seiner Auferweckung, in die göttliche Sphäre aufgefahren ist. Auch diesen Bereich zeigt das Bild Raffaels, als eine höhere, himmlische Ebene: Über der Wolkenzone, also weit über dem irdisch-menschlichen Bereich, thront Jesus, seine Wundmale zeigend, zwischen Maria und Johannes dem Täufer, denen sich rechts und links die Apostel anschließen. Über dem verherrlichten Jesus schaut Gottvater segnend herab, und zu Jesu Füßen sieht man, dass der Heilige Geist im Symbol der Taube den Kontakt zum irdischen Bereich herstellt, indem er die Menschen erleuchtet, tröstet und ermutigt…

Und von diesem Geist erleuchtet, diskutieren die Gelehrten, wie denn das zu verstehen sei, dass Jesus, obwohl in den Himmel aufgefahren, doch auch  gegenwärtig bleiben will in der unscheinbaren Gestalt des Brotes, in der Hostie, die wir an Fronleichnam deshalb in Dankbarkeit und Freude in unsere Welt hinaustragen: als Unterpfand seiner Nähe, als Anhalt unserer Hoffnung, als Versprechen seiner Ermutigung, als Angeld auch unserer Verherrlichung.

In der Gestalt des Brotes hat der verherrlichte Herr schon die Lübecker Märtyrer immer wieder gestärkt in den Gefängniszellen, in denen sie über ein Jahr lang ihrer Verurteilung zum Tod durch das Beil des Henkers entgegen harren mussten, verurteilt durch ein Unrechtsregime, das ihr Eintreten für die Wahrheit nicht ertrug. Ihre letzten Briefe sprechen von ihrem festen Glauben an die Vollendung bei Gott, wie das Bild von Raffael sie uns erahnen lassen will.

Die „Disputa“ des Raffael

Zu einem Gemälde Raffaels in den Stanzen des Vatikan

Die „Disputa“ des Raffael -,
ist sie bis heut’ nicht aktuell?
Sie stellt, seit jenen alten Tagen,
auch uns vor ganz zentrale Fragen:

Bleibt Gott entzogen, transzendent,
weit über jedes Firmament?

Hat er sich wirklich ein-begeben,
 mensch-werdend, ganz in unser Leben,
Realsymbol im Sakrament -,
wenngleich   a u c h   bleibend-transzendent?

Das diskutieren unverdrossen
des Malers klügste Zeitgenossen:
die Dichter, Päpste, Theologen,
die alles in Erwägung zogen.

Sie wussten: Weltlich’ Immanenz
ist überwölbt von Transzendenz,
und Christi Lebensweg verbindet
mit dem uns, worin alles gründet,

und er begegnet uns im Brot
und öffnet alle Menschennot
zu jener Sphäre, wo er lebt,
auf die hin jeder letztlich strebt;

macht zu Geschwistern, unvergessen,
hier alle, die vom Brote essen…

Klaus Lutterbüse