Emmauseinkehr: Ein mitreißendes Wieder-Erkennen

Wir alle kennen die Geschichte von den Emmausjüngern. Enttäuscht sind sie zu zweit von Jerusalem unterwegs in ihr Heimatdorf, als sich ihnen ein Fremder zugesellt, der sie zum Reden bringt. Resigniert erzählen sie, dass all ihre Hoffnungen enttäuscht wurden. Ein verehrter Rabbi aus Nazaret, ein aufrüttelnder religiöser Lehrer und wundermächtiger Heiler, von dem sie gehofft hatten, er werde das ganze Volk hinter sich bringen, ja sogar die Fremdherrschaft der Römer über das Heilige Land aufheben -, dieser mitreißende Hoffnungsträger war als angeblicher Aufrührer, ja sogar als Gotteslästerer in Jerusalem hingerichtet worden, und mit ihm seien nun auch all ihre Erwartungen begraben worden. Die Trauer über diese Ereignisse hinderte sie daran, den Fremden genauer ins Auge zu fassen, und selbst als der ihnen nun zu erklären versuchte, in den biblischen Schriften seien solche Erfahrungen der Abweisung, der Verfolgung und des Leidens prophetischer Männer immer wieder festgehalten, ja auch vorhergesagt, hörten sie nicht genauer hin.

Und doch tat es ihnen gut, über ihre Enttäuschung mit jemandem sprechen zu können, der ihnen zuhörte und auf sie einging. So baten sie, als der Tag zu Ende ging und die Nacht hereinzubrechen drohte, den Fremden, mit ihnen einzukehren in dem Ort, den sie nun gerade erreicht hatten, in dem kleinen Dorf Emmaus.

Dort kam es dann zu jenem Moment, auf den die ganze Emmausgeschichte zuläuft und den der italienische Maler Caravaggio in einem eindrucksvollen Bild festgehalten hat. Immer wieder ist diese Szene von vielen Malern dargestellt worden, und auch in unserem Haus Emmaus haben wir, in Kapelle und Essraum, mehrere unterschiedliche Bilder von diesem entscheidenden Augenblick. (Die für dieses Jahr geplante Jubiläumsfeier (40 Jahre Haus Emmaus) muss leider in das nächste Jahr verschoben werden.)

Caravaggio zeigt auf seinem Bild nicht nur Jesus und die beiden Jünger, sondern hat links die Gestalt des Wirtes, aufrechtstehend, mit einbezogen. Ja, es scheint, als sei der Wirt als neutraler, objektiver, alltäglicher Zeuge der Szene gemeint, der selber unbeteiligt bleibt von dem Geschehen, das die anderen drei Personen umso deutlicher erfasst, ja mitreißt. In der Bildmitte, durch sein rotes Gewand deutlich hervorgehoben, sehen wir Jesus, gesammelt und in sich gekehrt, an der Stirnseite des Tisches sitzen. Seine behutsame, aber bestimmte Segensgeste geht in Richtung auf den Weinkrug und das Brot am linken Tischrand, meint aber auch all die anderen Gaben, die Caravaggio wohl auch wichtig waren und mit denen er den Tisch reich gedeckt hat.  Der Maler war offensichtlich kein Asket und Kostverächter.

 Das eigentlich Aufregende in der Bildgestaltung sind aber die beiden Jünger rechts und links. Alle Blickbeschränkung durch Resignation und Trauer, alles Jammern und Klagen ist wie weggefegt. Wie elektrisiert reagieren sie auf die Segensgeste Jesu, in der sie plötzlich Jesu Hingabegeste beim Letzten Abendmahl wiedererkennen: Hier werden nicht nur Gaben gesegnet; hier werden diese Gaben zu Geschenken der Selbsthingabe, und darin erkennen die Jünger in dem ihnen bisher Fremden Jesus, ihren Meister, der ab jetzt – so scheinen sie schlagartig zu erfassen – in der immer neu vollzogenen eucharistischen Feier in diesen sichtbaren Gaben unsichtbar anwesend werden will. Diese Erkenntnis reißt den links sitzenden Jünger fast aus seinem Stuhl; kaum kann er sich an der Lehne noch halten, bevor er im nächsten Augenblick aufspringt. Der andere Jünger, rechts im Bild, reißt in fassungslosem Staunen die Arme auseinander, als wolle er sich ergeben und alles, was ihn bisher innerlich blockierte, endgültig abtun.

Noch in derselben Stunde eilen die Jünger nach Jerusalem zurück und berichten den dort Zurückgebliebenen von ihrer Erfahrung; und so beginnt die junge christliche Gemeinde, in den prophetischen Schriften zu lesen, was darin schon herauszulesen ist über das Gottesnähe stiftende Leben, Sterben und Auferstehen Jesu. Und sie sprechen Jesu Segensworte über die Gaben von Brot und Wein: Es entsteht die Grundform der Eucharistiefeier.

Klaus Lutterbüse

Emmauserlebnis

Emmauserlebnis

Nur der Wirt, un-fasziniert,
sieht als Zeuge, was passiert:

sieht, dass einer seiner Gäste
mit gar klarer Segensgeste
die zwei andren tief berührt,
ja fast zur Ekstase führt.

Sie erkennen plötzlich, jäh:
Jesus war in unsrer Näh‘,
hier im Alltag, ganz real,
selbst bei uns im Jammer-Tal!
Kehrte ein, saß mit am Tisch!

Dieser Eindruck: Bleib er frisch!“